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AVIVA-BERLIN.de im Mai 2024 - Beitrag vom 09.09.2006


Hasenjagd
Jana Muschick

Wozu ist der Mensch fähig, im Guten wie im Bösen? Hasenjagd zeigt in klaren Bildern die Schrecken des Nationalsozialismus und die Aussichtslosigkeit des Überlebens nach der Flucht aus dem KZ.




Im Konzentrationslager Mauthausen findet im Februar 1945 ein Aufstand von 500 Kriegsgefangenen statt. Inhaftiert sind Häftlinge, die sich weigerten, an der Seite der deutschen Wehrmacht zu kämpfen. Die russischen Männer warteten hier auf ihre Exekution, weil sie die Teilnahme am Zweiten Weltkrieg abgelehnt haben.
Sie wollten ihr Land nicht verraten. Im Wissen um ihren sicheren Tod wagen sie den Ausbruch. Mit nassen Decken schließen die Gefangenen den Strom der Stacheldrähte kurz und flüchten über die Mauern. Während der Flucht werden die Wachtürme mit Feuerlöschern, Kohlestücken und Holzschuhen attackiert.
150 Häftlingen gelingt die Flucht - die anderen werden gnadenlos erschossen.

Noch in derselben Nacht ruft die SS die Bevölkerung dazu auf, "die Kzler zu jagen wie die Hasen". Nur neun Gefangene überleben die Flucht. Zwei der Geflüchteten (Oliver Broumis, Merab Ninidze) werden von einer Bäuerin (Elfriede Irrall) versteckt. Sie selbst hat ihre Söhne an die Front ziehen sehen und nimmt die Verantwortung für sich, ihre Familie und die beiden Russen auf sich. Von diesen beiden jungen Männern erzählt der Film von Andreas Gruber in "Hasenjagd".

Die Verfilmung, die auf einer wahren Begebenheit beruht, zeigt mit erschreckenden Bildern die Mordlust der Bevölkerung im Gruppenwahn. Die Flüchtlinge werden gesammelt, an die Wand gestellt, erschossen. Es scheint, dass die Jäger wie im Blutrausch agieren - sie ermorden Männer, die ihnen kein Leid zugefügt haben, die sie nicht kennen. Befehl ist Befehl und der soll ohne Ausnahme ausgeführt werden.

Die Kamera von Hermann Dunzendorfer fängt beeindruckend den Schrecken der Stille ein. Die Geräuschlosigkeit ist das stärkste dramaturgische Mittel des Films. Die ZuschauerIn vernimmt nur die leisen Geräusche des Versteckens: das Rascheln von Stroh im Heuhaufen als geringer Schutz vor den Suchenden. Das Knistern der Stoffe, welche die frierenden Flüchtlinge nur notdürftig vor der Kälte schützen. Trockene Haut, blutende Füße, Atem, der ganz unterdrückt arbeitet. Im Kontrast zu der Grabesstille lassen die Schüsse auf die ausgehungerten Männer die winterliche Welt von Mauthausen erbeben. Fleischer, Bäcker und Polizisten werden zu Mördern, ohne sich auch nur der geringsten Schuld bewusst zu sein. Kein Hinterfragen des Auftrags, kaum Verweigerung - alles lebt in Angst vor der SS und vor den Mitteln, die sie für die Zurückhaltung am Mord anwenden.

Als der Frühling kommt, werden die blutverschmierten Wände, vor denen die Flüchtlinge erschossen wurden, wieder geweißt. Es soll so aussehen, als sei nichts geschehen. Die Sonne schmilzt das Eis. Der Frieden kommt nach Deutschland. Trotzdem kann die scheinbare Idylle die Schrecken der vergangenen Monate nicht übertünchen.

Andreas Grubers Hasenjagd erhielt den Spezialpreis der Jury in San Sebastian. Außerdem den Preis der Filmkritik von Amiens und den Publikumspreis der Diagonale.

AVIVA-Tipp: Ein wichtiger Film. Neben all den flachen Komödien und platten Spielfilmen, die nichts aussagend und dumm sind, ist Hasenjagd endlich ein bedeutendes Stück. Es zeigt mit wenigen Worten den Schrecken der Gefangenen, die im KZ wie Vieh gehalten und dort elendig ermordet wurden. Die Bilder, die mit Blut, Leichen und dem entsetzlichen Sterben der Flüchtlinge im Gegensatz zu dem reinen Schnee einen starken Kontrast aufzeichnen, werden der ZuschauerIn noch lange Zeit zum Nachdenken geben.


Hasenjagd
Andreas Gruber

DarstellerInnen: Elfriede Irrall, Rainer Egger, Oliver Broumis, Kirsten Nehberg, Thierry van Werveke Merab Ninidze
103 min + 60 min Extras, Farbe
Österreich, Deutschland, Luxemburg 1994/1995
FSK: 16 Jahre
URL:
ISBN: 3-89848-082-8
EAN: 4-021308-880824
Preis: 14,90 Euro



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Beitrag vom 09.09.2006

AVIVA-Redaktion